Organisatorische Geisterfahrt VIII
oder: Und täglich grüßt das Murmeltier
Wunschgemäß beschäftige ich mich recht häufig mit Fragen der administrativen Abwicklung von in- und externen Geschäftsvorgängen. Das klingt zwar im ersten Moment ein wenig nach Beamtenmikado oder einer drögen Tätigkeit, ist es aber nicht: Die meisten Prozesse sind recht spannend und die gedankliche Auseinandersetzung damit unter Berücksichtigung von Aspekten wie Revisionssicherheit sowie Validierung und Optimierung von Geschäftsprozessen sind eine echte Herausforderung. Theoretisch betrachtet habe ich also einen interessanten Job.
Praktisch betrachtet jedoch nicht. Einfach deshalb, weil jeder Versuch, ein offensichtliches organisatorisches Hemmnis zu beseitigen, damit endet, dass seine Majestät König Autistiko II. eine ganz andere Verstellung hat. Das intellektuelle Ökosystem seiner Majestät König Autistiko II. besteht faktisch aus einem meinungstechnischen Monoatheismus, nämlich seiner eigenen Meinung und dem tief verwurzelten Glauben daran. Die Unterschriftmappe mutiert dabei zum Scrinium, in dem sowohl Reliquien als auch persönliche Huldigungen aufbewahrt werden. Nach Postulat seiner Majestät König Autistiko II. ist aber alles Mist und wenn der Zustand geändert werden soll, dann muss alles so bleiben wie es ist. Damit beißt sich jedoch die arme Katze Tag für Tag in den sprichwörtlichen Schwanz und der unbefriedigende Zustand wurde aufrechterhalten. Ich will das mal ein einem kleinen Beispiel verdeutlichen:
Seine Majestät König Autistiko II. ist neuerdings ziemlich unzufrieden mit der Dauer der Beschaffung von Informationen aus dem Bereich Logistik. Mir leuchtet zwar nicht ganz ein, warum seine Majestät König Autistiko II. über den Aufenthalt jeder einzelnen Palette quasi rund um die Uhr im Bilde sein muss, aber ich nehme es als gegeben hin und schreibe es dem archaischen Dekret, mit dem der Belegschaft ein mangelhafter Intelligenz-Koeffizient bescheinigt wurde, zu.
Auf der Spur nach der logischen Anomalie, der Informationen offensichtlich recht häufig in unserem ERP-System begegnen, ist mir aufgefallen, dass wir eine ganze Reihe von logistischen Informationen zu einer Sendung mehrfach und z.T. an wirklich seltsamen Stellen erfassen. Die Menge der, wie gesagt, oftmals doppelt oder mehrfach zu erfassenden Daten entpuppte sich dann recht schnell als Ursache für den informellen Rückstand - es hatte nämlich schlicht niemand Bock, den Mist x-mal einzugeben.
Nach Auslotung des spezifischen Informationsbedarfs der beteiligten Abteilungen und externen Geschäftspartnern kam ein sehr viel einfacheres Ablaufmodell heraus. Nachdem ich es nochmals auf logische und informelle Integrität analysiert hatte, dokumentierte ich das Konzept in einem Memorandum.
Einige Wochen später erhielt ich dann eine Audienz bei seiner Majestät König Autistiko II. und durfte das Konzept erläutern. Na ja, zu Wort gekommen bin ich mal wieder kaum bis gar nicht. Und so wurde das Konzept auch binnen weniger Minuten verbal verrissen. Die Begründung war jedoch die echte Härte: Seiner Majestät König Autistiko II. wäre es nicht möglich gewesen, in der Liste der offenen Rechnungen des Frachtführers zu erkennen, welche Partien dieser gerade befördert und wo sich diese gerade befinden.
Sorry, wenngleich ich absurd-dümmliche Vorstellungen durchaus gewohnt bin, fiel mir hierzu nicht mehr viel ein. Vielleicht hätte ich seine Majestät König Autistiko II. jedoch fragen sollen, ob er sich seine BWA auf Klopapier ausdrucken lässt, damit er beim Kacken auch beschäftigt ist. Nein, eine OP-Liste ist kein Logistik-Informationssystem. Man kann daraus auch keins machen, auch mit viel gutem Willen nicht.
Egal was man versucht, es ist in den allermeisten Fällen zum Scheitern verurteilt. Das liegt vermutlich aber nur daran, dass meine Fähigkeit, komplexe administrative Zusammenhänge auf dem intellektuellen Niveau eines Drittklässlers zu vermitteln, nicht entwickelt ist. Ich bedaure es sehr, dass seine Majestät König Autistiko II. meine Ausführungen als pädagogisch minderwertig erachtet. Das könnte jedoch auch daran liegen, dass ich gar nicht vorhatte, ihn zu belehren ;-)
Mehr aus der Serie "Organisatorische Geisterfahrt" kann man hier finden:
Teil 1: Tägliche Tätigkeitsnachweise
Teil 2: Kein Papier vorhanden
Teil 3: It's not my Job
Teil 4: Negatives Papiersparen
Teil 5: Das "Pontius-Pilatus"-Prinzip
Teil 6: Strategische Chaostheorien
Teil 7: Kontrollhaken for ever
Labels: Verwaltungschaos
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