Mittwoch, 27. September 2006

Die Zeitmaschine

Heute lüfte ich ein großes Geheimnis: Wir haben eine Zeitmaschine in der Company. Ja, wirklich! Wir können nur leider nicht damit umgehen. Sei es das seine Majestät König Autistiko II. in Fragen der Telekommunikation einfach nicht aus der frühen postindustriellen Phase heraus möchte oder an der mangelnden Bereitschaft zu akzeptieren, dass Zeit linear*) verläuft. Letzteres möchte ich an einem Beispiel erläutern:

Obwohl wir in Fragen der Organisation von Geschäftsprozessen aus der Zeit der Karteikarten noch längst nicht herausgekommen sind, nutzen wir unseren Kunden auch verschiedene Instrumente der Absatzfinanzierung. Mal abgesehen von der Tatsache, dass diese Angebote bei näherer Betrachtung ähnlich attraktiv wie Mitgliedschaften in Buchclubs oder Vertragshandys sind, erfreuen sie sich wachsender Beliebtheit - lang lebe die restriktive Kreditvergabepraxis von Banken im Zeitalter von Basel-II ;-)

Anyway ... zurück zum Thema: Als pathologischer Paranoiker prüft seine Majestät König Autistiko II. vorab die Bonität der interessierten Kundschaft. Dabei greift er aber nicht auf klassische Methoden wie z.B. Bank- oder Wirtschaftsauskünfte sowie betriebswirtschaftliche Auswertungen zurück. Die State-of-the-Art-Methode ist der so genannte finanzielle Lasttest: Bevor seine Majestät König Autistiko II. eine Finanzierungszusage macht, wird erstmal angetestet, was der Interessent tatsächlich auf der hohen Kante hat. Seine Majestät König Autistiko II. bucht, wie gesagt ohne jegliche vertragliche Grundlage, eine Anzahlung in Höhe von 20-30% des Kaufpreises vom Konto des Darlehensnehmers ab. Wird die Lastschrift eingelöst, gibt’s ein OK, wenn nicht auch. Die Fähigkeit zur Selbstreinigung des mit negativen Erfahrungen prall gefüllten Gedächtnisses ist bei seiner Majestät König Autistiko II. nämlich enorm gut entwickelt.

Das eigentliche Problem beginnt dabei in dem Moment, wo das Darlehen gewährt wird. Unser ERP-System verwendet für die ordnungsmäßige Dokumentation aller vertraglich relevanten Vorgänge eine Timeline. Dieser Logik folgend, gibt es selbstredend ein gravierendes Problem, wenn die vorgegebene und durchaus plausibel reproduzierbare Logik durchbrochen wird. Das passiert genau dann, wenn das Licht angeht, bevor der Schalter gedrückt wurde oder eben die Anzahlung vor der Gewährung des Darlehens eingegangen ist.

Sicher, nichts ist unmöglich - das wissen wir ja spätestens, nachdem uns ein großer japanischer Autokonzern gezeigt hat, wie man mit dem Verkauf von Fahrzeugen tatsächlich auch Geld verdienen kann. Aber ohne Zeitmaschine wird die Sache mit dem Licht und dem Schalter schon ziemlich schwierig. Bevor wir aber ernsthaft über den Sinn und Unsinn der eigenen Arbeitsweise nachdenken, lässt seine Majestät König Autistiko II. lieber eine Zeitmaschine anschaffen. Wenigsten er kann der Belegschaft dann mit einem feisten Grinsen im Gesicht zeigen, wer den Überblick hat.

Ab sofort werde ich mich verstärkt darauf konzentrieren, korrekt mit temporalen Paradoxen umzugehen, da mir die Zeitmaschine sicherlich nicht als Arbeitsmaterial überlassen wird. Ansonsten gibt es ab morgen wieder Karteikarten. Dann sparen wir wenigstens noch den Strom für den dummen Computer, der seine Majestät König Autistiko II. einfach nicht verstehen will!

*) streng genommen ist das so natürlich nicht ganz korrekt - meine Physikerkollegen mögen mir das aber nachsehen

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3 Kommentare:

Am/um Mittwoch, September 27, 2006 2:54:00 PM , Anonymous Anonym meinte...

Also flugs mal einige Staffeln Startrek bestellen, zur Weiterbildung auf dem Gebiet temporaler Anomalien :-)

 
Am/um Mittwoch, September 27, 2006 11:37:00 PM , Blogger CC-Agent meinte...

Unsere Kunden haben so eine Zeitmaschine schon lange. Oder unser SAP. Jedenfalls kriegen wir gelegentlich Seriennummern angesagt, wo laut unserem Computer das Gerät erst im nächsten Monat produziert werden wird...

 
Am/um Freitag, September 29, 2006 7:27:00 AM , Anonymous Anonym meinte...

Manche halten die unautorisierte Abbuchung für eine Zeitmaschine, andere für strafbaren Computerbetrug. Aber eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren interessiert den autistischen Chef wohl nicht.

 

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