Freitag, 27. Oktober 2006

Kreative Ausreden

Aufgrund der mehrjährigen Tätigkeit im Dienste seiner Majestät König Autistiko II. bin ich hinsichtlich subtiler Erklärungsversuche und sonstiger, eher in den Bereich schlechter Unterhaltung gehörender Wortakrobatik einiges gewöhnt. Trotzdem gibt es aber immer wieder Menschen, die mich verblüffen. Eine dieser Personen, nämlich einen Kunden, hat mir ein lieber Kollege mit dem Hinweis "sehr dringend" in der Mittagspause aufs Auge gedrückt.

Wenngleich ich schon bei Ankündigung der Dringlichkeitsstufe den Eindruck hatte, dass wohl eher die Mittagspause für die nötige Dringlichkeit verantwortlich war, habe ich das Gespräch angenommen. Ein Kunde ist schließlich ein Kunde. Den Rotzlöffel von Kollegen nehme ich mir später noch zur Brust ;-)

Zurück zum Kunden in Not:

Kunde: Hallo, mein Name ist $Name. Ich stehe hier gerade im Finanzamt $Ort und muss einige unangenehme Fragen beantworten.


Ich: Oh - das klingt hässlich.


Kunde: Aber echt! Die wollen von mir ein paar Belege haben und das obwohl ich meine Steuererklärung für das Jahr 2001 noch nicht abgeschlossen habe.


Ich: Hm ... und wie kann ich Ihnen dabei helfen?


Kunde: Na ja, das mit dem Aufschub für meine Steuererklärung will das Finanzamt nach nur vier Jahren irgendwie nicht mehr akzeptieren. Und dabei habe ich doch meine Buchhaltung noch nicht fertig. Was soll ich machen?


Ich: Wenden Sie sich doch an Ihren Steuerberater oder einen Buchhaltungsservice.


Kunde: Ha, ha ... sehr lustig. Das hilft mir jetzt auch nicht weiter.


Ich: Das tut mir sehr leid, aber ich kann Ihnen da auch keinen Ratschlag erteilen.


Kunde: Na ja, der Grund meines Anrufes ist eigentlich ein anderer: Das Finanzamt interessiert ganz besonders die Vertragsunterlagen für die $Maschine sowie einige Kosten für den Betrieb dieser Anlage.


Ich: OK, da kann ich Ihnen helfen.
Die Unterlagen für die Finanzierung lassen sich schnell finden. Und welche Rechnungen benötigen Sie?

Kunde: Die Rechnungen aus den Jahren 2001 bis 2005.


Ich: Sagten Sie gerade 2001 bis 2005?


Kunde: Ja, ich weiß, ich bin im Moment ein wenig mit meiner Ablage im Rückstand.


Ich: Ein wenig? Ich habe gerade mal durchgeblättert und mindestens 150 Rechnungen in diesem Zeitraum gezählt. Das ist jetzt nicht ihr ernst, oder?


Kunde: Oh Shit - so viele?


Ich: Mindestens! Den Berg Ablage können Sie nicht übersehen haben!


Kunde: Also die Sache ist wirklich wichtig. Hatte ich schon erwähnt, dass ich bis heute Zeit hatte, die Unterlagen beim Finanzamt einzureichen? Die drohen mir mit einen Vollstreckungsbescheid.


Ich: Nö.


Kunde: Ach bitte, bitte, bitte.


Ich: Sie müssen nicht betteln! Wir machen das schon. Ich gebe das einem meiner Kollegen und der kümmert sich umgehend darum. Ich würde Sie jedoch bitten, zukünftig unbedingt ein wenig mehr Sorgfalt walten zu lassen.


Kunde: Klasse, da haben Sie mir echt geholfen. Ach so: Können Sie die Unterlagen bis heute 1300 gleich an mein Finanzamt faxen?


Ich: Hm ... haben Sie eigentlich eine Uhr? Also bei mir ist es 1230. Es ist Mittagspause. Das kann ich definitiv nicht einhalten.


Kunde: Mist, dann aber bis 1315.


Ich: Sorry, auch das ist unrealistisch. Die Rechnungen müssen alle aus dem Archiv geholt werden. Das kann dauern - selbst mit viel gutem Willen.


Kunde: Och, man, das ist schlecht. Wie stehe ich denn jetzt da?


Ich: Also bitte, das fällt Ihnen jetzt aber reichlich spät ein. Wir werden uns bemühen, Ihre Buchhaltung im Laufe des Tages zu rekonstruieren, aber Wunder können auch wir nicht vollbringen.


Kunde: Na gut, ich wollte es mal probieren.


Ich: Danke, Versuch macht klug ;-)



So, die ganze Abteilung Marsch, Marsch ins Archiv und die Belege suchen! Man muss auch mal Aufgaben delegieren ;-)

PS: Das Gewinnspiel nicht vergessen :-)

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1 Kommentare:

Am/um Freitag, Oktober 27, 2006 3:18:00 PM , Anonymous Anonym meinte...

Also das Finazamt droht mit Vollstreckung. Kann ich nicht nachvollziehen: Vorher kommt mindestens eine Mahnung und davor eine Aufforderung. Also entweder der Kunde ist faul oder er hat einen miesen Steuerberater.
Solche Ignoranz müsste mindestens mit ebensolcher Ignoranz bestraft werden.

 

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