Dienstag, 13. November 2007

Der Ausweis

Heute mal wieder eine kleine Geschichte aus dem Leben. In öffentlichen Verkehrsmitteln erlebt man teilweise skurrile Sachen. Vergleichsweise bekannt sind sicher ins Genick des Vordermanns rülpsende und niesende Fahrgäste. Vielleicht auch noch gängig sind Mitmenschen mit Tourette-Syndrom, bei denen man im ersten Moment, wenn man sie im Augenwinkel bemerkt, zunächst etwas irritiert ist. Der Klassiker jedoch sind Schlägereien zwischen den Sicherheitskräften und Schwarzfahrern. Vor einigen Tagen haben ich aber etwas ganz neues kennen gelernt: Zwei Behinderte haben sich um einen Sitzplatz für Behinderte lautstark gestritten.

Wie es dazu kam: An einer Haltestelle stieg ein Mann ein und bewegte sich schnurstracks auf den einzigen, in Sichtweite befindlichen Sitzplatz für Behinderte zu. Dumm war jedoch, dass auf dem Platz schon jemand saß. Der neu zugestiegene Fahrgast pöbelte ohne lange zu Zögern den auf dem Platz für Behinderte Sitzenden an und verlangte dessen Aufstehen. Der bereits Sitzende war sichtlich geschockt, fing sich jedoch blitzschnell und verwies auf sein Recht auf diesen Platz, da auch er eine Behinderung hätte. Das wollte der Zugestiegene gar nicht glauben und forderte den Sitzenden in einem harschen Ton auf, ihm doch mal seinen Behindertenausweis zu zeigen. Nach einigen Wortgefechten, in denen es zunächst einmal um die Prüfung der Berechtigung, den Ausweis verlangen zu dürfen ging, zückte dann der Sitzende seinen Behindertenausweis.

Nun, dachte ich, ist die Sache geklärt, ich biete dem zugestiegenen Behinderten meinen Sitzplatz an und alle haben sich wieder lieb. Aber nein, nun begann der zweite Akt.

Der zugestiegene Fahrgast zückte in einem, bislang nur aus der Matrix-Triologie bekanntem Tempo seinen Behindertenausweis, um seinen Anspruch auf genau diesen Sitz zu untermauern - seine Behinderung sei 10% größer als die des Sitzenden.

Puh, dachte ich mir, jetzt müsste man langsam mal den Fahrer als Vermittler einschalten, bevor es noch zu Handgreiflichkeiten kommt.

Nachdem die beiden Streithähne während einer knappen Viertel Stunde alle bekannten Schimpfworte ausgetauscht hatten, zwischenzeitlich konnte sich auch der Rest der Fahrgäste nicht mehr das Grinsen verkneifen, kam der Fahrer und bot beiden einen Platzverweis ein. Dann war plötzliche Ruhe. Der bereits auf dem Platz sitzende Behinderte verschränkte feist grinsend die Arme vor dem Bauch und der neu zugestiegene Behinderte setzte sich mit finsterer Mine auf meinen Sitzplatz. Körperliche oder geistige Gebrechen konnte ich nicht ausmachen.

Fazit: Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln macht Spaß :-)

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3 Kommentare:

Am/um Dienstag, November 13, 2007 5:12:00 PM , Blogger Pathologe meinte...

Ausgewiesene Dummheit gilt immer noch nicht als Behinderung?

 
Am/um Dienstag, November 13, 2007 9:38:00 PM , Anonymous Anonym meinte...

Also _geistige_ Gebrechen erkenne ich bei deiner Erzaehlung auf Anhieb auf beiden Seiten...

 
Am/um Donnerstag, November 15, 2007 10:26:00 AM , Anonymous Anonym meinte...

geniale story :) :)

mir passieren immer nur so langweilige Sachen wie "die Bustür geht kaputt und der Fahrer rammt an der nächsten Haltestelle den Ersatzbus, so dass nun zwei kaputte Busse da stehn"...

 

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