Montag, 12. November 2007

Der Feind des Mittelstands

oder: Wenn Stolz auf Betriebswirtschaft trifft

Eine kurze Geschichte von Stolz und Glauben, Hoffnung und missverstandener volkswirtschaftlicher Fürsorge. Eine Geschichte, die sich seit vielen Jahrzehnten Tag für Tag Tausendfach in mittelständischen Unternehmen abspielt. Eine Geschichte über den schlimmsten Feind des Mittelstandes: Das ERP-System.

Ich habe das Gefühl, dass bei vielen mittelständischen Unternehmen die Entscheidung, ein echtes ERP-System anzuschaffen, eher aus dem Bauch heraus getroffen wurde. Eine gewisse Ernsthaftigkeit bei der Einführung und Nutzung ist kaum erkennbar.

Seine Majestät König Autistiko II. könnte fast als Prototyp des mittelständischen Familienunternehmers in Deutschland gelten. Da soll die mühsam über Jahrzehnte verteidigte Eigenkapitalrendite von 2% um so eine nutzlose und vor allem wertfreie "0" auf der rechten Seite verunstaltet werden, nur weil man mit einem ERP-System die Chance hat, die innerbetriebliche Organisation zu optimieren. Das bedingt jedoch, dass man bereit ist zu erkennen, dass ein ERP-System, das sich je nach Anbieter zum Teil schon Hunderttausendfach weltweit verkauft hat, durchaus einen konkreten Realitätsbezug hat. Dumm ist nur, dass der typische Mittelständler an seiner eigenen geistigen Flexibilität scheitet und der fixen Idee, das ERP-System muss an die Organisation angepasst werden, geradezu dogmatisch hinterherläuft.

So ganz unerwartet ist diese Sichtweise jedoch nicht. Einerseits möchte man schon innovativ sein und mit einem modernen IT-System protzen können. Andererseits hat man über Jahrzehnte hinweg jeden Ansatz zur Professionalisierung des eigenen wirtschaftlichen Handels im Keim erstickt - warum sollte man den eigenen Sachverstand auch in Frage stellen, wenn der Laden läuft. Die Illusion des Laufens ist dabei jedoch strikt von echter Wirtschaftlichkeit entkoppelt. Und wenn dann doch mal was richtig gut läuft, d.h. die Eigenkapitalrendite über der eines Sparbuchs mit gesetzlicher Kündigungsfrist liegt, dann wird als erstes das Wort "Zufall" aus dem Wortschatz gestrichen und alle Kraft dem Klopfen auf die eigenen Schultern gewidmet. Alles andere wäre bei Licht betrachtet ein klares Eingeständnis der eigenen Unfähigkeit.

Aber zurück zu seiner Majestät König Autistiko II. und seinem ERP-System: Quasi mit dem Rollout wendet seine Majestät König Autistiko II. alle zur Verfügung stehende Kraft auf, um das ERP-System an die altbewährte Karteikartensystematik aus der Pre-Excel-Ära anzupassen. Bei der Gelegenheit wird die Existenz von betriebswirtschaftlichen Kennzahlen vehement geleugnet und strategische Meetings haben einen klar erkennbaren Alibicharakter. Das ERP-System ist eine schlimme Plage, die nur mit viel Geld konditioniert werden kann. Und das gibt man bekanntlich freiwillig nicht gern her.

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1 Kommentare:

Am/um Dienstag, November 13, 2007 7:50:00 AM , Anonymous Anonym meinte...

"Eine gewisse Ernsthaftigkeit bei der Einführung und Nutzung ist kaum erkennbar."

*unterschreib*

 

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