Sonntag, 16. Juli 2006

Traditionsbewußtsein

oder: Wie man auf Dorffesten richtig säuft

So langsam nähern wir wieder der Jahreszeit, in der traditionell die Schützenfeste stattfinden. Dank dem Taxi-Blogger habe ich eine nette Pointierung zum Thema Schützenfeste gefunden. Da ich dort allerdings ein paar Aussagen zum Überleben auf Dorffesten vermisst habe, reiche ich an dieser Stelle einfach mal 13 ultimative Tipps nach:

  1. Ein Bier bestellen geht gar nicht. Damit sagt man, dass man eine knickerige Sau ist, keine Freunde hat oder Antialkoholiker ist, quasi das Allerletzte.


  2. Also immer mindestens zehn Stück, einen Meter oder ein ganzes Tablett. Nie vorher abzählen, wie viele Leute um einen herum stehen und dann genau die Anzahl bestellen. Am besten irgendeine Zahl über die Theke grölen und ab dafür.


  3. Ganz falsch: Die Umstehenden fragen, ob sie überhaupt noch ein Bier haben wollen. Wichtige Regel: Gefragt wird nicht. Saufen ist schließlich kein Spaß.


  4. Wenn der Stoff dann da ist, nicht blöd rumgucken und überlegen, wem man denn eins in die Hand drücken soll. Am besten die Gläser wild in der Umgebung verteilen, denn nur so zeigt man seine Großzügigkeit. Nur der klein karierte Pisser stellt sich da an.


  5. Wer zahlt wann welche Runde? In der Regel kommt jeder der Reihe nach dran. Ganz miese Wichser saufen die ersten neun Runden an der Theke mit und wenn sie an der Reihe wären, müssen sie plötzlich pissen. Der erste Besteller bestimmt meist die Dauer des Projekts: Wenn er zwölf Bier bestellt, müssen alle solange warten, bis zwölf Runden durch sind. Wichtig ist, dass der Strom nie abreißt. Also wenn alle noch die Hälfte im Glas haben, sofort die nächste Runde ordern und das neue Glas in die Hand drücken. Was voll peinlich ist: Mit zwei Gläsern in der Hand an der Theke stehen, deshalb ist Tempo angesagt beim reinschütten - ist schließlich kein Kindergeburtstag.


  6. Richtig fiese Schweine bestellen zwischendurch noch eine Runde Korn - oder die absolute Hölle: Jägermeister. Hier wird es ernst. Sollte sich so was andeuten, kann man bloß noch die Flucht ergreifen. Merke: Biersaufen auf dem Dorffest kann man mit etwas Planung und Glück überleben, aber nach Jägermeister weigert sich sogar der Notarzt, die Schweinerei wiederzubeleben.


  7. Konsequent durchgezogen, bist Du normalerweise auf dem Zelt um halb Neun stramm wie die Kesselflicker. Nach Hause gehen geht natürlich nicht, weil Du sonst als Weichei dastehst. Was also dann? Pausen machen! Dafür sind in der Regel zwei Sachen vorgesehen: Bratwurstfressen und Tanzen.


    Bratwurstfressen

    Vorteil: An der Bude gibt's kein Jägermeister, da bist Du also eine zeitlang sicher vor der Alkoholvergiftung durch andere. Nur sind die Bratwurststände auf Dorffesten immer so konzipiert, dass die Nachfrage immer größer ist als das Angebot. In der Bude arbeiten auch meistens Fachkräfte, denen man beim Grillen die Schuhe besohlen kann. Einzige Qualifikation: Sie können mit einem Sauerstoffanteil in der Luft von unter 1% überleben - deswegen wirken sie auch so scheintot. Nun sagt der Laie: Wat'n Scheiß, das könnte man doch viel besser organisieren: Zack-zack kämen die Riemen übern Tresen. Falsch: Die mickrigen Bratwurstbuden mit den Untoten am Grill stehen da nicht aus Versehen, sondern absichtlich. Hier kann man Asyl von der Sauferei beantragen und je länger man auf den verkohlten Prengel warten muss, desto größer die Überlebenschance.


    Tanzen

    Im Vergleich zu Bratwurstfressen natürlich die schlechtere Wahl, weil anstrengend und mit Frauen. Aber irgendwann geht halt kein Riemen mehr rein in den Pansen und Du musst in den sauren Apfel beißen. Also zack, einen Rochen von den Bänken gerissen und irgendwie bescheuerte Bewegungen machen. Wenn Du Glück hast, spielt die Kapelle mehr als zwei Stücke und Du kannst Dir ein paar Bier aus den Rippen schwitzen. Hast Du Pech, kommt sofort nach dem ersten Stück der Thekenmarsch und Du stehst wieder da, von wo Du gerade geflohen bist.


  8. Eine richtig gruselige Bude, quasi die Abferkelbox im Festzelt, ist die Sektbar. Hier ist es so voll und eng, hier bleibst Du auch noch stehen, wenn es eigentlich nicht mehr geht. Es soll schon Kriegsverletzte gegeben haben, denen hat man in der Sektbar beide Beinprothesen geklaut und sie haben es nicht gemerkt. Doch der Preis, den Du für die Stehhilfe zahlst, ist hoch: Du musst Sekt saufen aus so mickrigen Blumenvasen, die man von der Spermaprobe beim Urologen kennt. Ziemlich eklig alles. Wenn es keine Sektbar gibt, gibt es meist eine Cocktailbar: Cocktail heißt im Zelt aber nicht Caipirinhã oder Margarita sondern Fanta/Korn oder Korn mit Fanta. Also vorsichtig: Hier kann es ganz schnell zu Ende gehen.


  9. Eine Alternative für den ganz schnellen Weg ins Nirwana ist noch der Zaubertrank: Korea. Vom Preis-Leistungs-Verhältnis her immer noch eine ganz reelle Sache: So besäuft sich der kritische Verbraucher und hat es ruck-zuck geschafft.


  10. Doch bevor Du nach Hause darfst, kommt noch ein ganz wichtiger Punkt, nämlich das Kotzen. Klingt scheiße, Du wirst aber dankbar sein, wenn Dein Körper, Dir dieses Geschenk bereitet. Du hast Platz für neue Bratwürste und vielleicht sogar Glück, dass Du die letzten zwanzig Bier noch erwischt, bevor sie Dein Gehirn erreicht haben. Der Profi jeden falls kotzt oft und gern. So, jetzt wären wir auch schon bald beim Nachhause gehen - Ha-Ha. Wenn Du aberden Zeitpunkt verpasst hast, und Du kommst vom Pissen oder Bratwurstkotzen wieder ins Zelt und es sind bloß noch zwanzig Mann übrig. Ätsch: Arschkarte gezogen.


  11. Zum krönenden Abschluss geht es um so spannende Sachen wie Faßaussaufen - es ist immer mehr drin, als Du denkst, oder Absackertrinken, wenn es ein Jägermeister ist, kannst Du Dir gleich den Umweg über den Notarzt sparen und den Bestatter anrufen. Jeder passt jetzt auf, dass keiner heimlich abhaut. Die ersten sacken einfach so vor der Theke zusammen, damit sie jedenfalls nicht noch mehr saufen müssen. Vorteil dieser Phase des Dorffestes: Du musst nicht mehr extra nach draußen latschen für Pissen und Kotzen: Geht jetzt alles vor Ort.


  12. Der Weg nach Hause fällt aus. Mach Dir keine Illusionen: Alleine schaffst Du es nicht mehr, Taxis gibst nicht auf dem Land, und wenn, würden sie Dich nicht mitnehmen. Deine Frau kommt nicht, um Dich zu holen, die ist froh, dass dieses Wrack nicht in deiner Wohnung liegt und der Gestank in die Möbel zieht.


  13. Am Morgen danach - die ersten Sonnenstrahlen brechen durch die Ritzen in der Zeltfestplane: Du wirst wach von einem Zungenkuss, wie Du ihn noch nie in Deinem Leben gekriegt hast. Leidenschaftlich küsst Du zurück. Dann machst Du Deine verklebten Augen auf und blickst in das fröhliche Gesicht des zottigen Köters vom Zeltfritzen. Und mit einem eigenen Beitrag zum Thema Würfelhusten fängt der Tag wieder an. Dein Kopf fühlt sich an wie nach einem Steckschuss. Jetzt hilft nur noch: Stützbier bis die Maschine wieder halbwegs normal läuft.


In diesem Sinne: Prost :-)

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6 Kommentare:

Am/um Sonntag, Juli 16, 2006 12:09:00 PM , Anonymous Anonym meinte...

"Abferkelbox" - ich lach mir sowieso meist 'nen Ast, wenn ich hier was lese, aber das...muß mal wieder Luft holen, klasse geschrieben!

 
Am/um Sonntag, Juli 16, 2006 5:39:00 PM , Anonymous Anonym meinte...

Frühstyxradiofan?

 
Am/um Sonntag, Juli 16, 2006 6:48:00 PM , Anonymous Anonym meinte...

Sehr treffend bemerkt! Schützenfeste sind eine todernste Sache. (... bietet Rüdiger Nehberg eigentlich Survival-Seminare für so etwas an?)

 
Am/um Montag, Juli 17, 2006 9:42:00 AM , Anonymous Anonym meinte...

Wie immer sehr treffend auf den Punkt gebracht. Waren Sie etwa damals bei unseren Festen und haben sich nicht zu erkennen gegeben. :-)

 
Am/um Donnerstag, September 07, 2006 3:40:00 PM , Anonymous Anonym meinte...

Zu gutem Stil gehört den Autor zu erwähnen, das ist ja wohl das mindeste.
Der Text ist von Dietmar Wischmeyer.

 
Am/um Donnerstag, September 07, 2006 6:56:00 PM , Blogger The Renitenz meinte...

Aber selbstverständlich. Danke für den Hinweis :-)

 

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