Mittwoch, 22. Februar 2006

Ausgetrickst

oder: Leichtgläubigkeit und Rechenschwäche vertragen sich gut

Vor Kurzem ist mir eine Sache im Vertrieb aufgefallen, die mich ein wenig stutzig gemacht hat:

Wir haben einen Kunden, der viele Jahre lang sehr regelmäßig für einen recht kleinen, aber konstanten Betrag X Waren kauft. Gezahlt hat er eigentlich immer per Scheck. Vor einigen Monaten kam es dann zu einer signifikanten Häufung von Rückschecks. Nach einem dezenten Hinweis, dass das Ausstellen von wissentlich nicht gedeckten Schecks theoretisch den Straftatbestand des Scheckbetrugs erfüllt, konnte man sich von Schecks als akzeptiertes Zahlungsmittel trennen. Waren wurden ab diesem Zeitpunkt nur noch per Vorkasse ausgeliefert.

Nun stellte der Kunde wenige Zeit später fest, dass das eigentlich Mist ist - er muss ja immer die Kohle vorab abdrücken, um Ware zu bekommen. Da er immer ein wenig klamm ist - wir erinnern uns an die Schüttelschecks - beschloss er, erneut über die Zahlungsmodalitäten zu verhandeln.

Mr Twenty-in-One, seines Zeichens Inhaber der Position "Irgendetwas im Vertrieb", sah seine Chance gekommen, sich als Top-Seller zu profilieren. Prompt vereinbarte er mit dem Kunden, das dieser die Waren zukünftig wieder gegen Kreditrechnung erhält und vor jeder neuen Lieferung die Letzte bezahlen soll.

In der Theorie ist der Gedanke gar nicht verkehrt. Nur zu dumm, dass Mr Twenty-in-One die Rechnung ohne die Cleverness des Kunden gemacht hat: Der Kunde vervierfachte sofort das Bestellvolumen und ließ sich Monatelang Zeit mit der Bezahlung. Bestellen musste er zwischenzeitlich ja nichts, da er sich ordentlich eingedeckt hat.

OK, das kann passieren, aber nicht viermal hintereinander!

Unter dem Strich kommt dann folgende Überlegung heraus:

  • 4 Lieferungen á 1.000 EUR jeweils 30 Tage zu spät bezahlt macht bei 6% Zinsen = 20 EUR verloren
  • 1 Lieferung á 4.000 EUR 120 Tage zu spät bezahlt macht bei 6% Zinsen = 80 EUR verloren

Bei vier Wiederholungen haben wir damit, allein für entgangene Zinsen, schon knapp 250 EUR zusätzlich verbrannt.

Merke: Muss mir mal das Grundschulzeugnis von Mr Twenty-in-One zeigen lassen und die Note in Mathematik checken. Mehr als eine 5 kann es bei dieser ausgeprägten Dyskalkulie nicht gewesen sein.

So negativ muss man die Angelegenheit im Grunde aber gar nicht sehen. Wenn ich mich rhetorisch ins Zeug lege und die Vorteile negativen Sparens deutlich mache, könnte ich bei seiner Majestät König Autistiko II. sogar noch glänzen - OK, das ist unrealistisch ... das mit dem Glänzen ...

Fazit: Kein Geschäft machen, 0 EUR. Kunde glücklich machen, 250 EUR. Erkenntnis über wirtschaftliches Denken, unbezahlbar. Für alles andere kontaktieren Sie einen Taschenrechner oder spenden Sie Ihr Geld gleich an die Deutsche Bank.

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